Dass meine Frau subtile Methoden hat, um mich dezent auf Dinge hinzuweisen, die das Zusammenleben angeblich erträglicher machen, nervt gewaltig. Kürzlich lag ein Buch von einer Autorin names Marie Kondo auf dem Schreibtisch mit dem Titel „Magic Cleaning: Wie Sie sich von Ballast befreien und glücklich werden“.
Doch wohin mit der etwas muffig riechenden Lederjacke aus den 80er-Jahren? Den alten Liebesbriefen, die in Schuhkartons lagern? All den Schallplatten von Genesis, Pink Floyd und Carlos Santana? Den Romanen von Hermann Hesse, Albert Camus und Robert Musil? Brächte ich alle diese Erinnerungsstücke zum Wertstoffhof, würde der Chef beim Anblick des vollgepackten Anhängers dem prädigitalen Neandertaler sicher die Zufahrt verweigern.
All diese aufbewahrten Schätze sind doch Haltepunkte mit einem hohen emotionalen Wert im Hier und Jetzt. Deshalb war mein Schreikrampf die logische Folge, als die zu Rate gezogene Feng-Shui-Expertin empfahl, den Mikrokosmos an konservierten Erinnerungen mit Ausnahme des Betts komplett zu entrümpeln.
Leider deutet meine Frau die Unordnung eines Zimmers nicht als kreatives Chaos, sondern als Vorstufe zum Messie-Dasein. Sie neigt dann hin und wieder dazu, lieb gewonnene Stücke aus meiner Vergangenheit für immer zu entfernen und nimmt mögliche Folgen wie eine Trennung auf Zeit oder sogar die Androhung einer Scheidung in Kauf.
Natürlich sehne ich mich manchmal nach einem ballastfreien Leben wie das des antiken Denkers Diogenes in seiner Tonne. Vielleicht sollte ich es mal einige Wochen auf einer Yogamatte in Indien oder in einem tibetanischen Kloster versuchen, um zu erfahren, wie glücklich Askese sein kann. Möglicherweise würde ich dann doch anfangen, mich von ein paar Dingen zu befreien. Als erstes wohl vom Buch der Aufräum-Expertin, das immer noch ungelesen auf dem Schreibtisch liegt.